Willkommen zu Teil vier unserer Reihe “How to Hire Talents”. Im ersten Teil hatten wir uns die Rollen im Hiring Prozesses angesehen, um uns im zweiten Teil damit zu beschäftigen, wie wir Kandidaten auf unsere Stelle aufmerksam machen können. Der dritte Teil beleuchtete, wie man sich am Besten auf die Interviews vorbereitet. In diesem Teil gehen wir nun in direkten Kontakt mit dem Kandidaten und schauen uns an, wir ihr den Interviewprozess gestalten könnt.
Bevor du loslegst
So, nun ist der große Tag gekommen und der Kandidat sitzt vor dir. Und nun? Nach der obligatorischen Begrüßung, schau dir als erstens den Kandidaten an. Ist er nervös? Sieht sie erschöpft aus? Was weißt du schon?
Sorge als erstes dafür, dass der Kandidate sich wohl fühlt.
Es kann sein, dass die Kandidatin bereits zwei, drei oder mehr Interviews hinter sich hat. Biete ihr in diesem Fall eine kurze Pause an. Jeder braucht bei längeren Interview Sessions mal einen Verschnaufer, ein Glas Wasser oder eine Bio-Break. Diese kleine Aufmerksamkeit kann helfen, dass alle das Interview entspannter angehen.
Einige Kandidaten sind anfangs sehr nervös, auch wenn es nicht immer offensichtlich ist. Nicht jeder mag es interviewt zu werden. Wenn sie besonders aufgeregt wirken, versuche die Situation aufzulockern. Erkläre dem Kandidaten, dass er nichts zu befürchten hat, und frage wie es ihm geht. Das gibt dem Gegenüber die Chance sich zu öffnen.
Ein “Wie geht es Ihnen?” – “Ich bin ein wenig nervös” – “Keine Sorge, ihnen kann nichts passieren”, hat schon des Öfteren geholfen.
Merkst du, dass der Kandidatin besonders nervös wirkt, kannst du auch mit ein wenig Smalltalk starten. Ein kurzer Schnack über das Wetter zeigt, dass du nicht nur die Abfrage Maschine bist, die auch noch den kleinsten Fehler finden will.
Fange dein Interview auch nicht gleich mit knallharten Fragen an, sondern erzähle ein wenig von dir und lasse den Kandidaten dann einfach frei erzählen. Wenn du ein offenen Gespräch führen willst, in dem der Kandidate sich so gibt wie er ist, schaffe eine lockere Umgebung.
Übrigens, auch wenn es banal klingen mag: Ein freundliches Lächeln zu Beginn des Gesprächs (und gerne auch zwischendurch) kann ungemein helfen, dass der Kandidat sich wohl fühlt.
Sei freundlich, sei nett, sei aufmerksam. Eigentlich selbstverständlich, oder?
Du stellst hier nicht als einziger die Fragen!
Ein Fehler, den man ab und zu beobachten kann ist, dass der Interviewer die Interview-Zeit bis auf die letzte Frage ausreizt und dann lächelnd dem Kandidaten noch einen schönen Tag wünscht. Mache diesen Fehler nicht. Das Interview ist nicht nur dafür da, dass du alles über den Kandidaten erfährst, sondern, dass dieser auch die Möglichkeit hat mehr über dich, die Firma, das Team oder andere Dinge, die ihn interessieren, zu erfahren.
Lasse also am Ende des Interviews genügend Zeit. Bei einem Interview von einer Stunde sind 10 min eine gute Hausnummer.
Beantworte die Fragen auch ehrlich und versuche nicht etwas zu konstruieren, was die Firma später nicht bieten kann. Das führt vielleicht zu einem kurzzeitigen Hiring-Erfolg, erhöht aber die Chance extrem, dass der Kandidatin in der Probezeit geht, wenn du deine Versprechungen nicht halten kann. Und das ist nicht nur kontraproduktiv, weil du den Hiring-Prozess von vorne beginnen musst, sondern auch schlichtweg dem Kandidaten gegenüber unfair. Eine Beziehung (in jeglichem Kontext) mit Unwahrheiten zu beginnen ist generell keine gute Idee.
Vorfilter – pre screening interviews
Wir hatten uns bereits im vorherigen Teil mit der Frage beschäftigt, wie viele Interviews man ausführen sollte. Heißt die Antwort “mehr als zwei”, dann solltest du die Interviews in “pre-screening” und “Finals” unterteilen.
Die Aufgabe von Pre-Screening Interviews ist es die Spreu vom Weizen zu trennen. Erst nach erfolgreichem Pre-Screening Interview lädst du den Kandidaten zu allen anderen Interviews ein. Denn leider hält nicht jeder Kandidatin, was die Bewerbung verspricht. Wenn du schon nach den ersten 10 Minuten merkst, dass es so gar nicht passen wird, und du weißt, dass an diesem Tag noch drei Interviews folgen, dann sitzt du in der Zwickmühle.
Sagst du jetzt alle Interviews ab, wird der Kandidatin sehr frustriert sein, und das kann sich rumsprechen und ein schlechtes Licht deine Firma und ihren Interview-Prozess werfen. Ziehst du die Interviews durch, verschwendest du kostbare Ressourcen.
Deswegen zählen die Pre-Screenings zu den wichtigsten Interviews, die am genauesten durchdacht sein sollten. Denn filterst du zu stark, verlierst du potentielle Chancen, und filterst du zu schwach, dann vergeudest du Zeit, die du in andere Kandidaten investieren könntest.
Wichtig in den Pre-screening ist, dass du sowohl Mindset als auch Fachlichkeit prüfst. In der Regel guckst du, ob der Kandidat zum Wertesystem deiner Firma passt (ich hoffe du hast eins, wenn nicht schaffe es) und, ob grundlegendes fachliches Verständnis da ist. Je nachdem welche Stelle du besetzen willst, kann es sind anbieten die Pre-screening in einem Interview durchzuführen oder in ein Mindset- und ein fachliches Interview zu unterteilen. Egal wie, tue dir aber selbst einen Gefallen und setze erfahrene Interviewer ein. Denn wie gesagt: die Pre-screening sind mit die wichtigsten Interviews, da sie die helfen keine Zeit zu verschwenden
Die Finals
Hat der Kandidat ist durch die Pre-Screening Interviews geschafft, wird es Zeit für die Finals. Hier prüfst du alles, um ein rundes Bild von dem potenziellen neuen Mitarbeiter zu bekommen. Die Screenings geben dir die Sicherheit dass die wichtigsten Punkte bereits abgeklopft wurden, deshalb kannst du jetzt in die Tiefe gehen. Prüfe die fachspezifische Eignung des Kandidaten. Ziel der Finals ist es nicht nur herauszufinden, ob der Kandidat zur Firma und/oder zum Team passt, sondern auch das Grading. Das bedeutet, dass du jetzt genau prüfst, ob es sich bei dem Kandidaten (aus Sicht der Interviewer) um einen Junior, um einen Senior, oder etwas dazwischen handelt.
Du musst selbst entscheiden wie wichtig der Anteil der einzelnen Themen für dich ist. Ich würde an dieser Stelle raten, obwohl du bereits das Mindset in den Pre-Screenings geprüft hast, hier nochmal ein komplettes Interview aufzusetzen, um den Kandidaten von seiner Persönlichkeit aus zu beleuchten. Wenn du nicht Teil der Pre-Screening Interviews als Hiring Manager warst, ist dies nun deine Gelegenheit herauszufinden, ob der Kandidat in das Team passt oder nicht.
Das Hiring Manager Interview – Sell yourself
Ein weiteres Interview in den Finals das Hiring Manager Interview. In der Regel bist du hier aktiv und sprichst das erste Mal mit dem Kandidaten (wenn du nicht schon im Pre-Screening aktiv warst). Du kannst das Interview so gestalten wie du es möchtest. Ich würde dir aber raten, weniger auch das Fachliche zu fokussieren (das können deine Kollegen), sondern eher auf den Charakter und die Persönlichkeit. Denn wer, wenn nicht du sollte wissen was am besten zu deinem Team passt.
Für mich ist das Hiring Manager Interview eines der wichtigsten im gesamten Prozess, wenn nicht sogar das Wichtigste. Warum? Ganz einfach. Wie ihr vermutlich wisst, kündigen die wenigsten Mitarbeiter Ihrer Firma sondern in der Regel ihrem Vorgesetzten. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass der Mitarbeiter seinen vorherigen Arbeitgeber verlassen will oder verlassen hat, weil es Probleme mit dem Vorgesetzten gab.
Was denkt ihr nun, wird so einem Mitarbeiter wohl wichtig am neuen Job sein? – Richtig, ein guter Vorgesetzter. Und genau der sollte jetzt vor den Kandidaten sitzen. Macht euch eines klar: Die Beziehung zu eurem künftigen Mitarbeiter fängt bereits in diesem Gespräch an. Hier geht es nicht nur darum, dass der Kandidat euch überzeugt, sondern auch, dass ihr den Kandidaten davon überzeugen könnt, dass ihr der richtige zukünftige Vorgesetzte für ihr seid.
Ein weiterer Grund, für die Wichtigkeit dieses Interviews ist: You are hiring for mindset not for skills. Und hier ist deine Chance herauszufinden wie der Kandidat so tickt.
Was treibt ihn an? Was motiviert ihn? Passt er zum Team? Hat er eine Eigenschaft, die dir vielleicht im Team noch fehlt? Hat er Potenzial sich weiter zu entwickeln? Passt er zu den Werten des Team?
All das gilt es in diesem Interview herauszufinden. Denn Skills könnte ihr später trainieren, wenn die Leidenschaft da ist. Das kostet euch ein wenig Geld und Zeit. Das Mindset von jemandem zu verändern ist um Längen schwerer, bis unmöglich. Achtet also genau auf die Persönlichkeit, und dass sie zu euch passt.
Zieh das Interview durch
Manchmal merkst du nach den ersten Minuten, dass es zwischen dir und dem Kandidaten nicht funken wird. Was machst du dann? Das Interview abbrechen?
Nein! Du hast den Kandidaten aus hunderten anderen ausgewählt, ihm vielleicht praktische Testaufgaben zugeschickt und/oder durch die Pre-Screenings laufen lassen. Nun gib ihm auch die Möglichkeit zu zeigen, was er kann. Das kannst du nicht nach fünf Minuten entscheiden.
Und wer weiß, vielleicht irrst du dich ja doch, und der Kandidate brauchte nur ein paar Minute, um warm zu werden. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass es mir schon mehrfach passiert ist, dass ein Kandidat, bei dem ich schon nach kurzer Zeit dachte “das wird nix”, mich dann doch irgendwann überrascht hat.
Gibt dem Kandidaten eine faire Chance, denn dein Bauchgefühl kann auch falsch liegen.
Die Entscheidung
Nachdem die Finals durch sind, musst du nun eine Entscheidung treffen. Dafür setzt du dich mit den Interviewern zusammen und bespricht die Ergebnisse der einzelnen Interviews.
Wichtig hierbei ist, dass du jede Meinung zu Wort kommen lässt, und dich nicht bereits im Vorhinein von von deinem eigenen Interview beeinflussen lässt. Denn jedes Interview hat einen anderen Blick auf den Kandidaten und so kann es durchaus sein, dass zwischen den einzelnen Interviewerin auch unterschiedliche Ergebnisse zutage kommen.
Hilfreich ist es, wenn die Interviewer die Ergebnisse ihres Interviews bereits aufgeschrieben haben. Das ermöglicht es dir als Hiring Manager bereits vor der Entscheidungsrunde zu lesen, wie die einzelnen Interviewer den Kandidaten einschätzen. Somit kannst du dir schon vorher ein Bild machen.
Du solltest dir auch vorher überlegen, welche Fragen du noch zu den Notizen der Interviewer hast, bzw. bei welchen Aspekten du noch tiefer nachfragen möchtest. Bitte die Interviewer auch bereits vorab in den Notizen schon ein Grading abzugeben. Das ist wichtig, denn es passiert oft, dass Interviewer durch Aussagen anderer Mitarbeiter beeinflusst werden.
Und dann kommt der große Moment: Die Interviewer haben ihre Einschätzung abgegeben, und es muss eine Entscheidung getroffen werden. Alle schauen jetzt auf dich. Denn das ist der Moment, in dem du allein die Entscheidung treffen musst, ob ihr dem Kandidaten ein Angebot macht oder nicht. Das ist ein schwieriger Moment, denn lässt du einen guten Kandidaten gehen, weil du zu kritisch bist, hast du Zeit verloren und es dauert länger, bis dein Team die nötige Unterstützung bekommt. Stellst du aber den falschen MItarbeiter ein, riskierst du Unruhen und Problem in deinem Team.
Niemand kann dir bei der Entscheidung helfen, aber wenn du den Prozess gut aufgesetzt, die Stellenausschreibungen akribisch geprüft, deinen Interviewer trainiert, auf unterbewußte Vorurteile geachtet und die Einschätzungen aller Interviewer objektiv betrachtet hast, dann bist du gut aufgestellt eine Entscheidung zu treffen.
Triff Entscheidung schnell
Wie auch immer du zu der Entscheidung kommst ist egal, Hauptsache du triffst sie schnell. Denn zum einen befinden wir uns ja immer noch im War for Talent, und der Kandidat ist mit hoher Wahrscheinlichkeit im Gespräch mit anderen Firmen. Zum anderen ist es natürlich unhöflich den Kandidaten warten zu lassen.
Wenn es sich leider herausgestellt, dass Kandidat und ihr nicht zusammen passt, dann gib den Kandidaten Feedback was nicht gepasst hat. Das hilft ihm/ihr eventuelle Schwachstellen zu bearbeiten, aus dem Interview zu lernen und besser zu werden. Und wer weiß, vielleicht bewirbt er sich ja in ein bis zwei Jahren wieder bei dir und wird dann eingestellt.
Selbstredend sollte dieses Feedback natürlich nach klassischen Feedbackregeln gegeben werden. Also wohlwollend, faktenbasiert und mit möglichen Entwicklungs Vorschlägen versehen. Wenn du einen Talent Acquisition Partner hast und nicht im direkten Kontakt mit dem Kandidaten bist, bietet es sich an hier mit deinem Kollegen sich über die entsprechenden Feedbacks zu verständigen.
Es muss nicht perfekt sein
Wir hatten ja bereits darüber gesprochen, dass es nicht immer der perfekte Kandidat sein muss. Du musst deine Anforderungen also nicht zu hoch schrauben. Aber auch wenn du das Level nicht hoch ansetzt, kann es manchmal passieren, dass du über einzelne Themen stolperst und zweifelst, ob es mit dem Kandidaten wirklich Sinn macht.
In diesem Fall frage dich immer, ob es sich bei der Beobachtung tatsächlich um ein Red Flag handelt, oder ob es etwas ist, was mit ein wenig Training und Unterstützung von ganz allein verschwinden kann. Es kann halt manchmal passieren, dass man sich zu sehr an Kleinigkeiten festhält, die man in den Interviews beobachtet hat. War der Kandidat beispielsweise über gewöhnlich nervös? Hatte der Kandidat vielleicht keine besonders deutliche Aussprache? Stolperte er über einen fachlichen Aspekt den man aber relativ schnell lernen kann?
Manchmal hängt man sich an solchen Dingen auf, sagt einem Kandidaten ab und ärgert sich dann später, dass man ihm nicht doch eine Chance gegeben hat. Also prüfe die negativen Kritikpunkten, die in den Interviews aufgetreten sind, obs ie etwas sind dass man wegtrainieren kann oder nicht. Und wenn man es wegtrainieren, kann vertraue auf deine Fähigkeiten als Führungskraft dass du den Mitarbeiter dabei unterstützt.
Zusätzlich versuche so viele Fakten wie möglich zu sammeln, um gegen dein Bauchgefühl anzugehen. Denn wir alle haben unterbewusste Vorurteile die unsere Handlungen und Entscheidungen beeinflussen. Beispielsweise hatte ich einmal ein Interview mit einem Kandidaten bei dem ich kein gutes Bauchgefühl hatte. Ich zweifelte, ob die Themen die wir ihm anbieten können wirklich ausreichen würden, oder ob der Kandidat uns nicht aus Langeweile in kurzer Zeit verlässt. Nach einigen und der Überlegungen und und Austausch mit meinem Talent Acquisition Partner entschied ich mich den Kandidaten einzustellen. Ein Glücksgriff, wie sich im Nachhinein rausstellen sollte.
Also horche zum einen in dich hinein, betrachte aber auf die Fakten die die auf dem Tisch liegen. Denn es muss nicht immer perfekt sein. Mitarbeiter werden sich ständig weiterentwickeln. Und wenn es einmal tatsächlich nicht geklappt hat, und die Interviews nicht in der Lage waren herauszufinden, dass der Kandidat tatsächlich nicht passt, gibt es immer noch die Probezeit. In der hast du in der Regel sechs Monate Zeit, um dem Kandidaten zu helfen doch noch in die Spur zu kommen.
Zum Schluss
An dieser Stelle möchte ich die Serie zum Thema Interview vorerst beenden. Natürlich ist das Feld noch viel, viel größer und wir könnten auch auf noch weitaus mehr Themen eingeben. Ziel dieser kleinen Serie war es aber ein paar Denkanstöße und Ideen zum Thema Hiring zu geben, um deinen Interviewprozess vielleicht etwas besser machen zu können .
Doch bei allen Tipps und Tricks denke auch immer daran, dass Hiring manchmal einfach nur eine Glückssache ist. Vielleicht ist man mal zu langsam. Vielleicht ist man manchmal zu schnell. Vielleicht ist gerade nicht der Zeitpunkt gekommen, an dem du den Kandidaten wirklich für dich begeistern konntest oder er offen ist seine aktuelle Anstellung aufzugeben, um deinem Team beizutreten.
Lasse dich also nicht entmutigen wenn es hin und wieder zu Fehlern kommt.. Aus meiner Erfahrung kann es nach Monaten erfolglosem Hiring teilweise plötzlich dazu kommen, dass du drei Stellen innerhalb von zwei Wochen besetzt. Das gehört nun einmal zu diesem Spiel mit dazu.
Und immer dran denken: Die Beziehung zu deinen Mitarbeiter fängt bereits beim Hiring an!
In diesem Sinne: Fröhliches Hiren.