How to hire Talents – Auf dem Weg zu den Interviews

In den ersten beiden Teile dieser Reihe haben wir uns angesehen welche Rollen es im Interview-Prozess gibt und wie wir an potentielle Kandidaten kommen können. Heute bereiten wir uns auf den direkten Kontakt mit dem Kandidaten vor. Ganz recht, es wird langsam ernst. 

Unterlagen-Screening

Eines steht allerdings noch zwischen der Bewerbung und dem Interview mit dem Kandidaten: Das Screening der Bewerbungsunterlagen.

Wenn du die Unterlagen liest, versuche so unvoreingenommen wie möglich zu sein. Mache dir vorher eines bewusst: Du bist nicht frei von Vorurteilen. Oft kommen diese unbewußt daher und und kannst wenig gegen sie machen (zumindest kurzfristig). Was du aber tun kannst, ist sich ihrer bewußt zu sein, und immer wieder zu versuchen dich auf die Fakten zu konzentrieren. Denn der CV spiegelt nur einen kleinen Ausschnitt des Lebens eines Menschen wider, und gibt dir schon gar nicht die Gründe, warum er so gelaufen ist.

Ein Beispiel:

Der Kandidat hat die letzten zwei Stellen in der Probezeit (zumindest den Zeitraum, den du für die Probezeit hälst) gewechselt? –  Finger weg, der Kandidat ist ein Windei! 

Oder doch nicht? Vielleicht waren die Letzten Stellen nicht die richtigen? Oder der Arbeitgeber einfach schlecht (gibt es nämlich auch). Denn die Probezeit ist dafür da, dass auch der Mitarbeiter entscheiden kann, ob es zu ihm passt oder nicht. Niemand ist gezwungen für immer bei einem schlechten Arbeitgeber zu bleiben. 

Vielleicht ist der Kandidat ja gar kein Windei, sondern sich nur sehr genau bewusst, was er bereit ist zu akzeptieren und was nicht. Eine großartige Eigenschaft, würde ich sagen. 

Oder vielleicht gab es aber auch zwingende räumliche Veränderungen aus persönlichen oder familiären Gründen. Ohne konkretes Nachfragen werdet ihr das nicht herausfinden. Aber solltet ihr dem Kandidate absagen, nur weil euer Kopfkino euch schnell eine Lösung vorgespielt hat? Ich sage, nein. Das gilt übrigens für den gesamten Interview Prozess. 

Ein weiteres Beispiel:

Ihr seht das Bild eines Kandidaten, der euch finster anguckt. Schon wird der- oder diejenige als unfreundlich abgestempelt. Oder der Bewerber lächelt euch an, und schwups, hält man die Person für freundlich und nett. Aber kann der Ausdruck auf einem (vielleicht sogar optimiertem) Foto euch einen tiefen Einblick in den Charakter eines Menschen geben? Wohl eher nicht. 

Also konzentriert euch in diesem Abschnitt des Bewerbungsprozesses auf die Fakten, die euch vorliegen. Hier dürft ihr hauptsächlich die fachlichen Qualifikationen, die ihr aus den Unterlegen herauslesen könnt. Hat der Kandidaten schon mit den benötigten Tools gearbeitet? Kennt er sich in erforderlichen Bereichen aus? Und so weiter …

Auch hier muss nicht alles 100%ig perfekt sein, aber es sollte schon in die richtige Richtung gehen. Ist dem so, dann ladet den Kandidaten zum ersten Interview ein. 

Anzahl der Interviews

Oft stellt sich die Frage, wie viele Interviews wir mit den Kandidaten führen sollten. Darauf gibt es eine einfache, wenn auch vielleicht nicht ganz befriedigende Antwort: “Nicht zu viele und nicht zu wenige.”

Okay, okay. Etwas mehr habt ihr jetzt vermutlich doch als Antwort erwartet. Die Frage nach der Anzahl der Interviews beantwortet sich eigentlich so:  Es sollten ausreichend viele Interviews sein, damit ihr den Kandidaten von allen, euch wichtigen Aspekten aus beleuchten könnt. Auf der anderen Seite sollten es nicht so viele Interviews sein, dass ihr den Kandidaten im Vorfeld verschreckt. 

Zusätzlich sollte die Anzahl der Interviews auch der Stelle entsprechen.  Stellt euch vor, ihr bewerbt euch auf eine Junior Engineering Stelle und bekommt eine Einladung für einen ganztägigen Interview Marathon über 8 Stunden. Würdet ihr die Einladung annehmen und zum Interview gehen? Ich nicht. Die Interviews sind immerhin eine Zeitinvestition des Kandidaten, und wenn er bei einem Mitbewerber mit 3 Interviews eine ähnliche Stelle bekommt? Was rechtfertigt es dann, dass der Kandidatin bei euch einen ganzen Tag verbringt?

Zusätzlich investiert ihr natürlich auch auf eurer Seite. Jede Stunde, die ein Mitarbeiter von euch in Interviews sitzt, ist eine Stunde, in der er nicht in seinem Kern-Job arbeitet (es sei denn der Mitarbeiter ist ein Recruiter).

Anders sieht es hingegen aus, wenn ihr euch beispielsweise auf eine Stelle als Senior Vice President in einer großen Firma bewirbt. Hier sind mehrere Interviews und ein längerer Prozess von vornherein erwartet.

Die Anzahl der Interviews hängt am Ende von deinen Erfahrungen und deinen Ansprüchen ab. Wenn du mit einem Interview raus kommst, perfekt. Allerdings ermöglicht dir eine größere Anzahl von Interviews mehr Interviewer in den Prozess zu bekommen, und hilft damit mehr Eindrücke über den Kandidaten zu sammeln. Das hilft ein besseres und genaueres Bild über den Kandidaten zu bekommen.

Ich persönlich halte drei bis fünf Interviews für eine gute Anzahl. wenn es um Engineering Positionen geht. Das ermöglicht dir die wichtigsten Aspekte abklopfen. Wie gesagt, je nach Job Family und Profil kann sich das auch ändern. 

Anzahl der Interviewer

Nach der Frage wie viele Interviews es denn sein sollen, taucht auch öfter die Frage auf, wie viele Kollegen den Kandidaten befragen sollen. 

In der Regel solltest du nur einen Interviewer in das Gespräch schicken. Das Verhältnis eins  zu eins sorgt für das Gefühl von Augenhöhe und es kann (besonders bei schüchternen oder introvertieren Kandiaten) helfen, die SItuation lockerer zu gestalten. 

Es kann allerdings Sinn machen, dass du noch einen weiteren Kollegen mit in das Interview nimmst. Sei es, um dich zu beobachten und dir nachher Tipps zu geben, wie du dein Interview verbessern kannst, oder du nimmst einen weiteren Kollegen aus dem Team mit hinzu, damit möglichst viele den Kandidaten sehen und beurteilen können. Denkbar ist auch, dass du einen erfahrenen Interviewer “shadowst”, ob ihn weiter auszubilden. 

Gründe gibt es verschiedene, doch bitte nicht mehr als zwei Interviewer pro Kandidat, das ist schließlich ein Interview und kein Verhör! Wenn zu viele Interviewer auftauchen, kann es den Kandidaten verwirren. “Schönen Guten Tag. Darf ich vorstellen: Wir haben hier Frau Müller von der Personalabteilung. Herr Gustav ist ein möglicher zukünftiger Kollege. Herr Schmidt zu meiner Rechten bilden wir gerade zu einem Interviewer aus. Und dann haben wir noch Frau Meier aus der Buchhaltung…” … wer bekommt da nicht den Wunsch aufzustehen und zu gehen. Also, zwei Interviewer und nicht mehr.

Und solltest du nicht allein in ein Interview gehen, mache von Anfang an transparent, wer von euch beiden das Interview führt und wer nur zugucken und im Bedarfsfall eine Frage stellt. Der Kandidatin soll sich eine eine Person fokussieren können. Außerdem verhinderst du so, dass die nicht eingespielte Interviewer gegenläufige Aussagen treffen oder den Kandidaten von Thema A nach B und wieder zurück ziehen. 

Die Fragen

In Teil 1 diese Reihe sind wir darauf eingegangen, dass ein geübter Interviewer ein Interview ohne große Vorbereitung aus dem Stegreif durchführen kann. Aber warum kann er das? Vermutlich nicht, weil er als Interviewer geboren wurde. Nein, er hat einfach alle Fragen, die es ihm ermöglichen den Kandidaten richtig einzuschätzen im Kopf. 

Und damit kommen wir eigentlich schon zum wichtigsten Teil der Vorbereitung auf ein Interview. Lege dir einen Katalog von Fragen zurecht, die dir hilft alle Antworten zu bekommen, die du benötigst, um den Kandidaten einschätzen zu können. 

Zusätzlich solltest du dir eine Struktur überlegen, an der du dich entlang hangeln kannst. Denn eins ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Wenn du anfängst Interviews zu führen, wir der Kandidat nicht der einzige im Raum sein, der nervös ist. Eine gute Struktur hilft dir den Roten Faden nicht zu verlieren. Nichts ist blöder, als wichtige Punkte zu vergessen. 

Beispielsweise wenn du aus dem Interview gehst und denkst,: “Mist, ich wollte doch noch nach den Gehaltsvorstellungen fragen.” Wenn du dann in einer E-Mail mit den Worten “Was ich noch vergessen habe zu fragen…” nachhaken musst, lässt dich das in den Augen des Kandidaten weniger professionell aussehen. 

Wenn du deinen Fragenkatalog aufbaust, bietet es sich an, unterschiedliche Fragen zum selben Thema einzubauen. Das hilft dir dich flexibel auf den Kandidaten einzustellen. Nicht jeder ist gleich und versteht auch jede Frage auf anhieb. Anstatt dem Kandidaten in solch einem Fall immer wieder die Frage zu erklären, kannst du dann einfach auf eine ähnlich Frage ausweichen, in der Hoffnung, dass diese besser verstanden wird. 

Nachbohren

Eine wichtige Lektion, die man bei Interviews lernen muss, ist, dass man nachhakt. Der Grund dafür ist ganz einfach: Wer regelmäßig Interviews führt, ist gut auf Interview-Fragen vorbereitet. Interviewst du beispielsweise einen Senior-Kandidaten, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dieser die Fragen die du stellst, schon zig mal selbst gestellt und entsprechend Antworten parat hat (Wobei ich zugeben muss, dass ich auf einige meiner eigenen Fragen keine spontane Antwort hätte). Und wer nicht so viel Erfahrung hat, der ist in der Regel clever genug im Internet nachzuschlagen, was gängige InterviewFragen sind. 

Dementsprechend ist es wichtig, nicht nach der ersten Antwort zur nächsten Frage weiter zu springen, sondern etwas in die Tiefe zu gehen. Dort verbergen sich nämlich die richtigen Erkenntnisse. 

Nehmen wir ein Beispiel für eine ganz klassische Interviewfragen: “Nennen sie mir eine ihrer Schwächen” (Ich stelle diese Frage übrigens nicht in Interviews). 

Der Kandidat mag darauf möglicherweise antworten: “Meine größte Schwäche ist, dass ich immer viel zu viel Leidenschaft in meinen Job stecke und hart bis in die Nacht arbeite, um  die Firma voranzubringen”. 

Kopfschüttelnd, dass der Kandidate gerade (wie viele andere) versucht hat eine Stärke als Schwäche zu verkaufen, kann man man zu nächsten Frage weitergehen … oder man setzt einfach beim gesagten an und antwortet vielleicht so. “Ach, dass ist ja interessant. Warum denken sie denn, dass das eine Schwäche ist?

Spätestens bei der darauffolgenden Antwort weiß man, ob der Kandidat nur angeben wollte, oder wirklich überzeugt ist daran arbeiten zu müssen seine Work-Life-Balance in den Griff zu bekommen. 

Geh tiefer, lass nicht locker, auch wenn es auf den ersten Blick unangenehm scheinen mag. Mach dir aber bewusst, dass du max. 60 Minuten für das Interview hast und danach eine Entscheidung darüber treffen musst, ob die mit dem Kandidaten die nächsten Jahre zusammenarbeiten kannst. Nutze diese Zeit weise. Das Wort “Warum” ist eine deiner stärksten Waffen, um über den Kandidaten herauszufinden, was du herausfinden willst. 

Multi Cultural Hiring

Ein Thema was ich an dieser Stelle nur kurz anreißen möchte, denn es würde mindestens ein bis zwei Artikel benötigen, ist das Hiring in von multikulturellen Teams. Wir hatten es bereits kurz angesprochen, und werden später noch einmal ausführlicher in einem anderen Artikel darauf eingehen, aber der Vorteil von multikulturellen Teams (Diversität, Lerneffekte etc.)  sollten den meisten zumindest grundlegend bewusst sein. 

Was aber oft vergessen wird, ist das Wissen über die verschiedenen Kulturen bereits schon in den Interviews zu nutzen. Denn unterschiedliche Kulturen haben auch unterschiedliche Wege von Interviews zu führen. Und was dir vielleicht befremdlich vorkommen mag oder du als Red Flag einordnen würdest, dann in einer anderen Kultur völlig normal sein oder zum guten Ton gehören. Deswegen sei dir an dieser Stelle geraten, nimm Kollegen aus anderen Kulturen mit in deine Interviews und lass dir danach Feedback geben wie sie das Interview empfunden haben. 

Das kannst du auch als Vorbereitung auf Interviews tun indem du dir gezielt Termine mit Kollegen aus den Regionen einstellst, aus denen der Kandidat kommt. Das hilft dir im Vorfeld Vorurteile abzubauen und ein objektives Bild aus dem Interview zu bekommen.

Zum Schluss

Jetzt sind wir soweit, die Vorbereitungen für die Interviews sind abgeschlossen. Jetzt geht es in den Kontakt mit den Kandidaten und auf zu Teil vier – Die Interviews

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