Nachdem wir uns in dem ersten Teil unserer Serie über Führungsstile mit den klassischen drei Führungsstilen nach Kurt Lewin beschäftigt hatten, gehen wir heute im Zeitstrahl ein paar Jahre weiter in die Zukunft und beschäftigen uns mit der transaktionalen Führung.
Transaktional
Lewin war natürlich nicht der einzige, der sich mit Führungsstilen beschäftigte. Ca. 30 Jahre (1973) nach ihm beschrieb der amerikanische Soziologe James Downton den transaktionalen Führungsstil 1, der 1978 von James MacGregor Burns weiter zu einem Modell 2 entwickelt wurde.
Dieser beruht im Wesentlichen auf einem Tauschhandel zwischen Führungskraft und Mitarbeiter – der Transaktion. Getauscht wird hier Leistung gegen Leistung. Der Mitarbeiter gibt seine Arbeitskraft und erhält im Zuge dafür eine entsprechende Belohnung, oder bei Nichterfüllung eine Strafe. Hier geht es hauptsächlich darum, durch das Aufzeigen von Vor- und Nachteilen (z.B. Gehaltserhöhung, Beförderung, Sanktionen) den Mitarbeiter zur Erfüllung einer Aufgabe zu bewegen bzw. zu motivieren.
Ein leitender Angestellter legt die Ziele fest und definiert Termine, Erreichungsgrad und weitere Erfolgskriterien.
Durch die klaren Definitionen weiß der Mitarbeiter genau, was zu erledigen ist. Dies gibt Sicherheit. Ein klassisches Beispiel wäre die Arbeit am Fließband, bei der ein Mitarbeiter genau weiß welche Stückzahl er am Ende des Tages zu erreichen hat. Das Ziel ist klar definiert und transparent für alle Beteiligten. Zusätzlich sind Dimensionen für die Über -bzw. Untererfüllung vereinbart (Bonus oder Strafen).
Beispiel: Ein Mitarbeiter muss eineinhalb einer Tagschicht von 8 Stunden 180 Ostereier bunt bemalen. So ist es mit seinem Chef vereinbart. Schafft er mehr als die vereinbarte Zahl, so bekommt er für jedes weitere Osterei 3 Euro zusätzlich Bezahlung. Schafft er allerdings weniger, so werden ihm pro nicht bemaltes Ei 1 Euro vom Lohn abgezogen.
Der Mitarbeiter kann also, wenn er sich richtig ins Zeug legt, sein Gehalt aufbessern, das motiviert. Zusätzlich weiß er aber auch, dass wenn er zu langsam arbeitet, er Gehalt verliert. Dies motiviert ebenso.
Durch das Prinzip “Lohn gegen Leistung” verhält der Mitarbeiter sich so, wie von der Führungskraft gewünscht, wird er belohnt, andernfalls bestraft. Die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter basiert also auf der Entlohnung für die Erbringung einer Arbeit, oder eben auf einer entsprechenden Sanktionierung bei Nichterfüllung. Der leitende Angestellte hat hierbei die Möglichkeit, die Mitarbeiter durch den Anreiz von Belohnungen zu höheren Leistungen zu motivieren.
Der große Vorteil dieser Methode liegt in der klaren Definition von Zielerreichung und Konsequenzen. So kann der Mitarbeiter sich bereits vor Beginn seiner Arbeit ausrechnen, wie hoch ein vereinbarter Bonus ausfallen wird, bzw. ob er erreichbar ist.
Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass der leitende Angestellte schnell eingreifen kann, so eine Abweichung von den Zielvorgaben erkannt wird, oder sich abzeichnet. Er kann da sofort Maßnahmen ergreifen, wie beispielsweise zusätzliche Mitarbeiter auf das Thema anzusetzen. Auch können die Mitarbeiter potentielle Abweichungen direkt selbst erkennen (das Ziel ist ja klar definiert) und sie dem Vorgesetzten melden.
Zusätzlich fällt das Delegieren an untergebene Führungskräfte einfacher. Durch die klaren Vorgaben können Missverständnisse reduziert werden, wenn Zielvorgaben über Hierarchien hinweg delegiert werden.
Außerdem ist die transaktionale Führung ein sehr einfacher Führungsstil. Heißt, (auch wenn es gemein klingen mag), du brauchst nicht die allerbesten Führungskräfte. Sie kann auch bedingt in Umgebungen funktionieren, in denen es mehr potentielle Mitarbeiter als Jobs gibt, beispielsweise in Krisen. Hier wird dann die Sanktionierung stärker genutzt: “Wenn du deine Arbeit nicht schaffst, finde ich ganz schnell jemand anderen.”
Das setzt natürliche Anreize, wobei ich an dieser Stelle ganz klar sagen möchte, dass ich solch ein Vorgehen für mehr als fragwürdig halte. Dann erstens rächt es sich spätestens, wenn der Markt umschlägt und der Mitarbeiter “ganz schnell einen anderen Arbeitgeber gefunden hat”. Und zweitens sollte in moderner Führung der Mensch und nicht die Ressource eine entscheidende Rolle spielen.
Bitte nicht überreizen
Kommen wir nun zum Knackpunkt des transaktionalen Führens: Die Motivation ist extrinsisch. Das System von Belohnung und Bestrafung beruht also auf Reizen, die von außen gesetzt werden. Und wie bei allen äußeren Reiz, kommt es über einen längeren Zeitraum zu einer Reiz Abstumpfung. Wer über längere Zeit mit einem Bonus gelockt wird, der wird immer weniger durch diesen motiviert.
Nehmen wir einen Projektleiter, der ein 5-monatiges Projekt besonders schnell und gründlich erledigt hat. Für diese Pflichterfüllung bekommt er – wie vorher vereinbart – einen Bonus von, sagen wir, 1000 Euro. Der Mitarbeiter freut sich, der Chef freut sich. Alle sind glücklich.
Nun wird für die nächste Aufgabe wieder ein Bonus vereinbart. In freudiger Erwartung ist der Mitarbeiter wieder hoch leistungsbereit und liefert das Ergebnis ein weiteres Mal zu vollster Zufriedenheit ab – Katsching, wieder 1000 Euro mehr auf dem Konto. Die neue Couch-Garnitur und der dazu passende 70 Zoll Fernseher sind gesichert.
Nun führen wir das Spiel “Belohnung für Pflichterfüllung” fort und geben weiterhin Boni. Der Chef wird zufrieden sein, der Mitarbeiter liefert weiterhin zu vollster Zufriedenheit ab. Aber über die Zeit wird sich in dem Mitarbeiter etwas ändern. Erhält der Mitarbeiter einen Bonus für einen erledigte Aufgabe, so erwartet er das nächste Mal ebenfalls eine Belohnung – gleichbleibende Leistung vorausgesetzt. Er wird den Bonus nicht mehr als Belohnung für seine Leistung sehen, sondern anfangen ihn als Teil seines Gehaltes zu sehen – der Belohnung Effekt bleibt aus. Schlimmer noch, erhält der Mitarbeiter eines Tages keinen Bonus, so wird er diesen Umstand nicht als normal (“OK, diesmal war ich nicht ganz so gut”), sondern als Sanktion empfunden (“Ich werde dafür bestraft, dass ich diesmal keine 120% erreicht habe”). Durch die Reizüberflutung haben wir eine andere Toleranzschwelle beim Mitarbeiter gesetzt – ein Reduzieren oder Ausbleiben der Belohnung wird dann zur Frustration führen.
Die negativen Auswirkungen von extrinsischen Motivatoren wurden auch durch Experimente des Psychologie-Professors Edward Deci nachgewiesen. Er gestaltete 1971 ein Experiment 3, bei dem er Probanden in zwei verschiedenen Gruppen Soma-Würfel lösen sollten. Beide Gruppen hatten jeweils drei Runden á einer Stunde Zeit, um die Rätsel zu lösen. In der ersten Runde rätselten beide Gruppen gleich motiviert und interessierten sich an den Würfeln herum. In der zweiten Runde wurden die Teilnehmer für jedes gelöste Rätsel mit ein paar Dollar belohnt.
In der dritten Runde blieben die Belohnungen aus. Mehrere Minuten, bevor die Stunde um war, verließ Deci unter einem Vorwand den Raum. Während die Gruppe, die kein einziges Mal bezahlt wurde, weiter motiviert an den Lösungen rätselte, neigten die Probanden der anderen Gruppe dazu, Zeitung zu lesen oder sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Deci schloss daraus, dass die Personen, denen Geld angeboten worden war, diese intrinsische Motivation nicht mehr verspüren.
Transaktionale Methoden mögen prinzipiell für eine bestimmte Zeit noch in Bereichen funktionieren, in denen quantifizierbare Fließbandarbeit erledigt werden muss (Osterei Beispiel). Je länger aber die Zeiträume werden, in denen eine Aufgabe erledigt wird und je schwieriger das Ergebnis zu quantifizieren ist, desto komplizierter wird die bonusbasierte-Motivation.
Wenn der Mitarbeiter und Vorgesetzte nicht genau quantifizieren können, für welche Leistung er belohnt wird, wird der Bonus (und später auch das Ausbleiben des solchen) willkürlich. Das schafft Unsicherheit und Frust. Werden dann noch unterschiedliche Ziele für unterschiedliche Mitarbeiter vergeben, können dadurch Neid und Missgunst entstehen die langfristig zu Konflikten, Demotivation und Kündigungen führen können.
Und es geht noch schlimmer. Denn oft erleben wir, wie Mitarbeitern erst nachträglich ein einmaliger Bonus für “besonders gute Leistung in den letzten 6 Monaten” gegeben wird, ohne dass vorher eine Zielvereinbarung getroffen wurde. Klingt erst einmal toll, oder? Da hat sich jemand richtig angestrengt und bekommt die entsprechende Anerkennung. Was aber, wenn der Mitarbeiter genauso weiterarbeitet wie zuvor und in der nächsten Runde keinen Bonus bekommt? Ein schales Gefühl macht sich breit. Habe ich jetzt schlechter gearbeitet? Hat meine Leistung abgenommen? Da hilft es auch nicht, darauf zu verweisen, dass der Bonus einmalig war.
Und Tschüss …
Das Problem der Reiz Abstumpfung betrifft natürlich nicht nur positive, sondern auch negative Reize. Selbst gegen Drohungen und Bestrafungen können langfristige Resistenzen aufgebaut werden, so dass diese keine Wirkung mehr entfalten können.
Und ganz versagen Sanktionen in Bereichen, in denen Mitarbeiter keine größeren Probleme haben, einen neuen Arbeitgeber zu finden. Denn Motivation durch Bestrafung funktioniert nur, wenn der Mitarbeiter durch Angst – beispielsweise davor seinen Arbeitsplatz zu verlieren – “motiviert” wird. Davon abgesehen, dass dies eine moralisch sehr fragwürdige Praktik ist, funktioniert sie nur, wenn die äußeren Umstände überhaupt erst Angst erzeugen können. In ökonomischen Umfeldern, in denen es einfach ist, einen neuen Arbeitgeber zu finden, verpuffen Sanktionen sehr schnell, wenn der Mitarbeiter einfach seine Sachen packt und geht.
Und auch mit dem gesellschaftlichen Umdenken hin zu einer stärkeren Wertschätzung der eigenen Freizeit kommt die transaktionale Führung an seine Grenzen. Denn sie funktioniert nur, wenn der Gegenwert, den die Firma zu bieten hat, auch einen Anreiz für den Mitarbeiter schafft. In der Regel bieten Firmen Sach- oder Finanzleistungen. Mit einem Umdenken hin zu einer höheren Wertschätzung der eigenen Lebenszeit und der Work-Life Balance, verpuffen plötzlich die monetären Anreize. Denn Firma und Mitarbeiter buhlen nun um die gleiche kostbare Ressource: Die Lebenszeit des Mitarbeiters. Wer das nicht berücksichtigt und denkt, er könne sich Lebenszeit mit Geld erkaufen, wird ein höheres Risiko tragen, seine Mitarbeiter an andere Arbeitgeber zu verlieren, die bessere Anreize schaffen.
Zusätzlich führt der transaktionale Führungsstil oft zu einem klassischen “Einstellen des Mitdenkens”. Der Mitarbeiter, der möglichst versucht, die Vorgaben des Vorgesetzten zu erfüllen, damit er die Belohnung bekommt, wird nicht über den Tellerrand schauen oder eigene Ideen einbringen. Gerade dieser Aspekt gefährdet in der schnelllebigen Zeit der Erfolge von Unternehmen und verhindert ihre Flexibilität, liegt die “Richtigkeit” von Ziele nur in der Hand weniger Entscheider. Und auch wenn der Mitarbeiter nicht kündigt, kann man sich langfristig von seiner Kreativität, seiner Einsatzbereitschaft und Leidenschaft verabschieden.
Zum Schluss
Fassen wir also noch einmal zusammen: Transaktionale Führung beruht auf dem Prinzip “Motivation durch Belohnung und Bestrafung”. Die Reizen werden von außen, also extrinsisch gesetzt. Durch diese Reize (zum Beispiel Gehaltserhöhungen) soll der Mitarbeiter motiviert werden.
Die transaktionale Führung ist ein einfacher Führungsstil, der auf klaren quantifizierbaren Zielvereinbarungen zwischen Mitarbeiter und Führungskraft beruht. Dadurch werden Missverständnisse vermieden und die Führungskraft kann auch schnell eingreifend steuern, wenn sie beispielsweise eine Abweichung von der Zielvereinbarung feststellt.
Der Nachteil der transaktionalen Führung liegt in der Reizüberflutung, die sowohl die Wirkung von Belohnungen als auch Sanktionen abschwächen oder aufheben kann. Auch können Boni und Gehaltserhöhungen nicht ins Unendliche gesteigert werden, was die Wirkung langfristig einschränkt oder sogar aufhebt. Zusätzlich funktioniert das Prinzip“Lebenszeit gegen Geld” nicht mehr in Gesellschaften oder Ökonomien, in denen die Mitarbeiter eine höhere Wertschätzung für die eigene Lebenszeit entwickeln, oder der Mitarbeiten – zum Beispiel durch einen Arbeitnehmermangel – nicht mehr stark auf einen konkreten Arbeitgeber angewiesen ist.
In der Tat ist die transaktionale Führung ein recht veraltetes Modell, das eher auf Konzepte aus dem Zeitalter der Industrialisierung beruht. Erschreckend, dass sie trotzdem noch flächendeckend Anwendung findet und oft zu Frustration und Kündigungen von Mitarbeitern führt.
Aber hat sie dann überhaupt noch eine Berechtigung in modernen Unternehmen? Ja, wenn sie sehr punktuell eingesetzt wird. Beispielsweise wenn du mit einem Mitarbeiter bei einem 1- jährigen Projekt einen Sonderzahlung bei einer bestimmten Erfüllung vereinbarst. Dann kannst du einen gezielten Motivationsschub erreichen.
- Rebel Leadership: Commitment and Charisma in the Revolutionary Process. Free Press, New York 1973, ISBN 0-02-907560-2. ↩
- Burns, J. MacGregor (1978): Leadership. New York: Harper & Row. ↩
- https://www.apa.org/members/content/intrinsic-motivation ↩